Ypern - ein deutsch-englsiches Projekt zur Friedenserziehung
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Frühjahrsprojekt

Warum Erster Weltkrieg? Warum Belgien?

Wie oft im Leben, trotz qualifizierter didaktischer und methodischer Überlegungen, beides eher zufällig. Nachdem ich viele Jahre lang im Geschichtsunterricht das wunderbare Lied von Eric Bogle "No Man's Land" benutzt hatte, um mit meinen Schülerinnen und Schülern einen emotionalen Zugang zum Thema Krieg zu haben, beschloss ich schließlich, mir die "countless white crosses", von denen Bogle singt , einmal ausführlich selber anzusehen.

Der Blick auf die "countless white crosses" war beeindruckend, atemberaubend und bewegend. Er ist besonders in der Gegend um Ypern in Belgien sehr bedrückend, weil um diese recht kleine Stadt mit heute etwa 35.000 Einwohnern vier Jahre lang Stellungskrieg auf sehr engem Raum stattgefunden hat. Vier Jahre lang sind in vier blutigen Ypernschlachten etwa eine halbe Million Soldaten gefallen, oft nur für einen Geländegewinn von wenigen Metern. In dieser Gegend wurde zum ersten Mal Giftgas im Krieg eingesetzt, hier findet man noch heute an jeder Ecke Überreste des Krieges, Mahnmale, und insgesamt fast 170 Soldatenfriedhöfe. Wer jemals auf nur einen Teil der tatsächlich unzähligen Grabsteine oder -kreuze oder die in Mahnmale eingemeißelten Namen von fast hunderttausend noch immer allein um Ypern vermissten Soldaten geblickt hat, versteht auf einmal besser, was sich hinter den Zahlen von Toten und Vermissten verbirgt, wie wir sie im Geschichtsbuch finden. Und diesen Blick tun englische und deutsche Schülerinnen und Schüler gemeinsam. Was tun sie im Einzelnen?

Über die Jahre habe ich gemeinsam mit meinem englischen Kollegen unterschiedliche Methoden ausprobiert. Ziel war immer, dass die Jugendlichen miteinander Einzelheiten, möglichst Einzelschicksale, klären sollten. Dazu gehörte, dass die Blicke geschärft werden mussten für gezielte Beobachtungen, dazu gehörte natürlich auch inhaltliche und sprachliche Vorbereitung.

In den beteiligten Schulen haben wir unsere Schülerinnen und Schüler recht traditionell auf die Fahrt inhaltlich vorbereitet. Im Anschluss an eine Einheit Imperialismus und Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden die Bismarcksche Außenpolitik, dann die Vertragssysteme in Europa von 1871 bis 1914 betrachtet, die Neue Außenpolitik Wilhelms II. sowie dann die Ereignisse des Sommer 1914. Schließlich wurden die Aspekte Bewegungskrieg und Stellungskrieg sowie Massenheere und Materialschlachten behandelt. Anhand einer historischen Karte von Mrs und Major Holt wird der Verlauf der Ypernschlachten nachvollzogen.

Wenn die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal die flandrischen Felder sehen, haben sie eine Menge "üblicher" Geschichtsunterrichtskenntnisse - die Begegnung mit den noch sichtbaren Überresten der Geschichte führt dann in erster Linie zu Betroffenheit, zu wachsendem Interesse an Einzelschicksalen, zur genaueren Vorstellung davon, was die abstrakten Texte und Zahlen des Geschichtsbuches für einzelne Menschen bedeutet haben.

  Lernen auf Soldatenfriedhöfen

Das Lernen auf den Soldatenfriedhöfen in der Region Ypern geschieht auf mehreren Abstraktionsebenen. Dabei wird die Arbeit dadurch bestimmt, dass am Eingang jedes britischen Soldatenfriedhofs zwei schriftliche Unterlagen zu finden sind: Das "Register", das zu allen Bestatteten kurze Angaben wie Geburts- und Todesdatum, Rang, militärische Einheit, Nationalität, enthält, sowie ein "Visitos' Book", in das Besucher des Friedhofs Kommentare schreiben können.

  Fakten sammeln und interpretieren

Der Blick in die Register macht schnell klar, dass der größte Teil der gefallenen ganz junge Leute waren - 18 bis 20 Jahre alt. Die Auswertung der Todesdaten erlaubt es, Zusammenhänge zu Daten von Schlachten herzustellen - die manchmal um wenige Tage, manchmal um Wochen differierenden Todesdaten lassen zwei Schlüsse zu: Eine solche Schlacht dauerte über längere Zeiträume, viele Soldaten wurden in der Schlacht verwundet und starben dann im Lazarett.

Der Blick auf die britischen Grabsteine der vielen Friedhöfe und ihre Symbole sowie auch die Bezeichnungen der militärischen Einheiten lässt die Schülerinnen und Schüler schnell erkennen, dass hier nicht nur englische, walisische und schottische Soldaten begraben sind. Sie finden auch die Gräber irischer, kanadischer, neuseeländischer, australischer, südafrikanischer sowie indischer Soldaten. Selbst chinesische Grabsteine (von Angehörigen des Chinese Labour Corps) sind zu finden - hier wird der Begriff "Welt"krieg ebenso greifbar wie plötzlich die Bedeutung des Begriffes "Empire" ins Auge springt.

Obwohl in diesem Abschnitt der Westfront nur wenige französische Truppen eingesetzt waren, kann man auf dem französischen Friedhof St. Potijze auch zahlreiche Gräber französischer Kolonialtruppen sehen - Nordafrikaner, viele von ihnen Moslems.

  Verarbeitung des Sterbens durch die Angehörigen

Die Angehörigen britischer Soldaten erhielten die Gelegenheit, einen Satz zum Gedenken an ihren gefallenen Verwandten auf den Grabstein meißeln zu lassen - ursprünglich musste dafür sogar eine Gebühr an den englischen Staat gezahlt werden, später war das nicht mehr der Fall. Diese Inschriften geben ganz unterschiedliche Bewertungen des Sterbens - vieles lässt sich nur als heroische Verklärung interpretieren, aber es finden sich auch sehr nachdenkliche oder schlicht traurige Inschriften.

  Wahrnehmung heute

Die Visitors' Books, die es an jedem britischen Friedhof gibt, werden von (meist britischen) Besuchern so fleißig für Eintragungen und Kommentare genutzt, dass die jeweils noch ausliegenden nur eine kleine Zeitspanne abdecken. Da jede Eintragung aus Platzgründen nur aus wenigen Sätzen bestehen kann, sind diese von unseren Schülerinnen und Schülern leicht auszuwerten.

Der Blick in die Visitors' Books macht auch die große Zahl von Besuchern aus englischsprachigen Ländern deutlich, die jedes Jahr diese Gegend aufsuchen. Es sind Tausende, es kommen auch viele Schulklassen. Gleiches wird deutlich beim Blick auf die an Mahnmalen und auf Friedhöfen niedergelegten Kränze und die ihnen oft angehefteten Texte. Schließlich kommt es oft vor, dass englische Schülerinnen und Schüler unserer Gruppe von ihrer Familie mit ganz klaren Informationen versorgt worden sind, welcher entfernte Verwandte hier beigesetzt ist, dessen Grab wir dann aufsuchen.

Deutschen Schülerinnen und Schülern wird klar, dass noch heute der Erste Weltkrieg "The Great War" für Engländer eine viel größere Bedeutung hat als für uns, vor allem auch eine viel größere Bedeutung als der Zweite Weltkrieg. Daran ändert auch die holzhammerartige Schlagzeilenschlacht englischer Tageszeitungen im Zusammenhang mit deutsch-englischen Fußballspielen nichts, bei denen ja von "German Tanks" und "Blitzkrieg" die Rede ist und damit auf den Zweiten Weltkrieg angespielt wird. In der nationalen Erinnerung Englands bleibt der Erste Weltkrieg der wichtigere - was sich nicht zuletzt am 11. November als dem nationalen Gedenktag zeigt. Dies wird im Rahmen unseres Herbstprojekts (.s.u.) sehr deutlich.

  Vergleich von Friedhöfen verschiedener Nationalitäten

Englische Soldatenfriedhöfe sind alle nach dem gleichen Layout angelegt. Jeder Friedhof wird beherrscht vom "Cross of Sacrifice", entworfen von Sir Reginald Blomfield, und dem "Stone of Remembrance" von Sir Edwin Lutyens, mit der Inschrift "Their name liveth for evermore", die von Rudyard Kipling als Inschrift ausgesucht worden ist. Diese Friedhöfe mit ihren weißen Grabsteinen wirken auf den Betrachter eher heroisch, verherrlichend. Ganz anders z.B. der deutsche Friedhof Langemark. Dort wurden die Toten aus vielen kleinen deutschen Friedhöfen zusammengelegt, weit über 20.000 in einem Massengrab, viele jeweils zu viert oder acht in kleineren Gräbern. Der Friedhof hat eine entweder sehr feierliche oder auch bedrückende Atmosphäre. Der Gegensatz speziell zu den englischen Friedhöfen lässt bei Schülerinnen und Schülern wie von selbst die Debatte entstehen, ob es eher ein typisch deutscher Friedhof sei, oder der Friedhof so angelegt sei, um deutlich zu machen, dass hier die Verlierer des Krieges bestattet sind.

Auf den Friedhöfen unterschiedlicher Nationen fallen den Schülerinnen und Schülern natürlich auch die unterschiedlichen Grabsteinformen für christliche, jüdische und moslemische Soldaten auf.

Am belgischen Friedhof in Houthulst lässt sich die sprachliche Zerrissenheit des Landes bis in den Tod der Soldaten hinein verfolgen. Grabsteine wallonischer Soldaten tragen die Formulierung "Mort pour la Belgique" und dann Namen und Daten, diejenigen flämischer Soldaten den Satz "Stierf voor België" mit Namen und Daten und schließlich diejenigen unbekannter belgischer Soldaten beide Formulierungen (plus "onbekend" und "inconnu"), damit auch ja niemand gekränkt sein kann!

  Erzeugen von Betroffenheit:

Um das Massengrab auf dem Friedhof Langemark stehen aus großen Bronzetafeln die Namen der über 20.000 deutschen Soldaten, die in diesem Grab, das eine Fläche von etwa zwei Klassenräumen hat, beigesetzt sind. Jedes deutsche Mitglied der Gruppe, das einen nicht ausgefallenen Nachnamen hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit einen oder mehrere Träger dieses Namens auf den Tafeln finden. Auf dem Friedhof in Ysselstein gibt es im Informationsraum ein mehrbändiges Belegbuch mit den Namen aller Beigesetzten - hier gilt Ähnliches. Die englischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden im Register jedes Friedhofs alphabetisch geordnet die Namen der bestatteten Soldaten und können gleiche Erfahrungen machen.

Durch Nachforschungen beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kann man auch ermitteln, ob aus dem eigenen Wohnort Soldaten z.B. in Langemark bestattet sind. Deren Gräber zu finden ist nicht einfach, aber eine Aufgabe, der sich Schüler gern stellen. Es berührt sie, plötzlich vor dem Grab eines Menschen zu stehen, der vor fast 100 Jahren aus ihrem Heimatort hierher zum Sterben kam.

Die jüngsten Soldaten, deren Gräber in der Region Ypern zu finden sind, waren alle Mitglieder der BEF, also der "British Expeditionary Force" - der britischen Truppen, die im Ersten Weltkrieg in Flandern und Frankreich eingesetzt waren. Diese bestanden bis Anfang 1916 nur aus Freiwilligen. Das offizielle Mindestalter zum Eintritt in die englische Armee war 18 Jahre, für den Dienst "overseas" sogar 19 Jahre. Möglicherweise mit einem Augenzwinkern der Musterungskommission sind diese Jungen tatsächlich in die Armee aufgenommen worden und als Kinder gestorben. Der jüngste britische Soldat in der Region Ypern, John Condon, fiel im Alter von 14 Jahren, es finden sich aber auch weitere Fünfzehnjährige und Sechzehnjährige. Hier bieten sich trefflich Ansatzpunkte für Gespräche über die (in Teilen der bürgerlichen Kreise Europas) verbreitete Kriegsbegeisterung 1914. Hier eine Übersicht über die jüngsten Soldaten, die in der Region Ypern beigesetzt sind:



  John Condon

14 Jahre

Friedhof Langemark-Poelkapelle

Valentine Joe Strudwick

15 Jahre

Friedhof Essex Farm

R.H. Reeves

15 Jahre

Friedhof Spoilbank

Fred Storey

16 Jahre

Friedhof Bedford House

Alfred Bootham 

16 Jahre

Friedhof Chester Farm




Entwickeln von Fragen

An vielen Stellen fragen Schüler nach weiteren Informationen, die zum Teil erst in der Arbeit am Heimatort - z.B. durch weitere Recherchen oder durch Benutzen von Literatur - zu klären sind. Beispiele für solche Fragen von Schülerinnen und Schülern sind:

  •     Warum entstand ein bestimmter Friedhof an einer bestimmten Stelle?   
  •     Was ist das Victoria Cross?   
  •     Wofür hat ein bestimmter Soldat das Victoria Cross erhalten?   
  •     Was ist die Bedeutung der allgegenwärtigen Mohnblumen (poppies)?   
  •     Wieso haben Jugendliche als Soldaten am Krieg teilgenommen?   
  •     Gab es unter den Soldaten auch Widerstand gegen den Krieg?   
  •     Woher haben die Friedhöfe ihre Namen?   
  •     Wer kümmert sich heute um die Soldatenfriedhöfe?

  Lernen bei Wanderungen

Auf Wanderungen in der Region werden Überreste gefunden und interpretiert. Eine Möglichkeit ist eine Wanderung über die Anhöhe von Mesen ("Messines Ridge").

Am 7. Juni 1917 wurde die dritte Schlacht um Ypern nach tagelangem Trommelfeuer der englischen Artillerie auf die deutschen Stellungen auf der Höhe von Mesen durch die Sprengung von 19 Minen eröffnet, die unter den deutschen Stellungen gleichzeitig zur Explosion gebracht wurden. Dabei war der zeitliche Abstand zwischen dem Ende des Trommelfeuers und der Sprengung der Minen so berechnet worden, dass die deutschen Truppen aus ihren Unterständen, in denen sie Schutz vor dem Artilleriefeuer gesucht hatten, wieder in die Gräben eingerückt waren, wo sie dann von den gewaltigen Explosionen überrascht und zerfetzt wurden. Die Tunnel und Schächte für die Minen waren von den Engländern über 18 Monate bis unter die deutschen Stellungen vorgetrieben worden. Die Explosionen waren bis nach London zu hören. Tatsächlich gelang es den englischen Truppen, die deutschen Stellungen einzunehmen. Noch heute sind die Krater dieser Minenexplosionen in der Landschaft zu sehen, inzwischen zu harmlosen Teichen für Angler geworden. Einer ist als "Pool of Peace" zu einer kleinen Gedenkstätte umgewandelt worden, die über die Jahre zum Teil schwer nachvollziehbar immer wieder verändert wird. Der nahegelegene "Lone Tree Cemetery" enthält die Gräber der irischen Soldaten, die befehlsgemäß um 03.10 Uhr "over the top" gingen, also aus ihren Schützengräben stiegen. Allerdings explodierte die ihnen nächstgelegene Mine bei Spanbroekmolen 15 Sekunden zu spät, so dass diese Soldaten von dem gewaltigen Erdauswurf der Mine verschüttet bzw. von den herumfliegenden Erdbrocken getötet wurden. Das auf allen Grabsteinen gleiche Todesdatum stellt die Verbindung zu den Daten am Minenkrater "Pool of Peace" her.

In jedem Jahr werden entlang der alten Frontlinie noch Hunderte von Tonnen Munition gefunden und von der belgischen Armee entsorgt. Nach der Frühjahrsbestellung der Felder, bei der solche Munition von den Bauern gefunden wird, legen diese die gefundenen Granaten auf Sammelplätzen am Wegrand ab, an denen wir als Wanderer vorbeikommen. Die vorher ausgesprochenen eindringlichen Warnungen werden durch diese "Begegnungen" plötzlich sehr konkret. Hier kann auch darauf verwiesen werden, dass noch heute bei großen Bauprojekten - letztes Beispiel die Verlängerung der bislang bei Ypern endenden Autobahn - immer wieder Überreste des Ersten Weltkriegs zutage gefördert werden, die dann ein solches Projekt unterbrechen, wenn z.B. Gräberfelder mit Überresten toter Soldaten gefunden werden. Selbstverständlich muss in solchen Fällen erst die Kriminalpolizei eingeschaltet werden, um zu klären, ob es sich etwa um aktuelle Mordfälle handelt, dann kommen die Archäologen.

  Lernen in Museen

Es gibt in und um Ypern zwei unterschiedliche Arten von Museen. Einmal die "professionellen" wie z.B. das große Museum "In Flanders Fields" in der Stadt Ypern und das Museum in Zonnebeke "Memorial Museum Passchendaele", die mit modernen Hilfsmitteln wie Computer und Multimedia-Darstellungen Kenntnisse und Eindrücke vermitteln, und es gibt kleinere Privatmuseen, die ursprünglich daraus entstanden sind, dass Bauern gefundene Relikte nicht weggeworfen oder abgegeben sondern ausgestellt haben. Zum Teil liegen hier noch heute Fundstücke in wilden Haufen übereinander - wie etwa im Museum "Hill 62", in dem man zudem noch durch die Überreste von Schützengräben wandern kann; ein wenig nachdenklich stimmt dabei sicherlich die Verlockung, dies Grabensystem als Abenteuerspielplatz zu benutzen. Komplett künstliche Systeme, wie etwa der "Dodengang" bei Diksmuide, ein von der belgischen Armee künstlich nachgebautes Schützengrabensystem an historischer Stelle, oder der erst seit wenigen Jahren errichtete "Bayernwald" bei Wijtschate, wo ein Schützengrabensystem rekonstruiert worden ist unter anderem mit dem diskreten Hinweis darauf, dass an dieser Stelle Adolf Hitler als Soldat gedient hat, sind sicherlich kritisch zu betrachten, können aber dank der vor Ort vorhandenen Informationen vernünftig für Unterrichtszwecke genutzt werden. Beim Durchwandern solcher Grabensysteme gelingt es plötzlich, sich in die Situation der Soldaten hinzuversetzen, die mindestens tagelang in solchen Gräben hausen mussten und zu überleben trachteten, "Menschenmaterial", das auf beiden Seiten bedenkenlos in den Materialschlachten "verbraucht wurde", selbst wenn eine Äußerung wie die des Chef des Stabes von General Haig, Kiggell, überliefert ist, der beim Anblick des Schlachtfeldes nach der Schlacht von Passchendaele angeblich in Tränen ausbrach und sagte: "Good God, did we really send men to fight in that?"

Insgesamt erfahren die Schülerinnen und Schüler in all diesen Museen nicht nur wichtige Tatsachen über den Ablauf des Krieges speziell um Ypern herum, sie lernen auch wichtige Aspekte des modernen industrialisierten Krieges kennen sowie insbesondere, welche Folgen der Krieg für den einzelnen Menschen hatte, Soldaten wie Zivilisten gleichermaßen. Alle Museen legen neben der Fakten- und Kenntnisvermittlung großen Wert darauf, auch Emotionen der Besucher anzurühren und betroffen zu machen.

  Schülerinnen und Schüler "lernen zu gedenken"

1) Schülerinnen und Schüler erstellen vor der Fahrt einen Text, der von allen Teilnehmern der Fahrt unterschrieben, dann laminiert und auf Holz aufgezogen wird. Diesen Text legen abwechselnd ein englischer und deutscher Teilnehmer an unterschiedlichen Mahnmalen und Denkmälern nieder - dazu spricht mal ein englisches Gruppenmitglied ein paar Worte, mal ein deutsches. Auf solche Texte hin haben wir schon oft "feedback" von späteren Besuchern der Gedenkstätte bekommen. Im Laufe der Zeit ist es uns gelungen, von Schülerinnen und Schülern nicht mehr nur ihre zu Hause vorbereiteten Ansprachen vortragen zu lassen. Inzwischen finden sich auch immer Teilnehmer, die spontan beeindruckende Worte des Gedenkens formulieren - eine für Fünfzehnjährige sicherlich nicht leichte Aufgabe.

2) Wir nehmen als deutsch-englische Gruppe an der Last-Post-Zeremonie in Ypern teil: Seit 1928 wird unter dem Menentor in Ypern (auf dem die Namen von ca. 55.000 bis zum 16. August 1917 vermissten britischen Soldaten eingemeißelt sind) jeden Abend um 20 Uhr in einer kleinen Zeremonie der Toten der Kriege, speziell des Ersten Weltkriegs gedacht. Jahrzehntelang muss dies eine recht kleine Veranstaltung gewesen sein; seit den siebziger Jahren allerdings ist die Zahl der Zuschauer kontinuierlich gewachsen, so dass jetzt allabendlich regelmäßig Hunderte von Zuschauern an der Zeremonie teilnehmen. Eine kleine Kapelle spielt "The Last Post", das in etwas dem deutschen "Ich hatt' einen Kameraden" entspricht, es wird die Exhortation gesprochen, es werden von Delegationen Kränze niedergelegt. Dies tun wir seit einigen Jahren auch (langfristige vorherige Anmeldung auf http://www.lastpost.be/mainpage.htm unbedingt erforderlich): Ein deutscher und ein englischer Schüler legen gemeinsam einen von uns geschriebenen Gedenktext am Mahnmal nieder - mit klopfendem Herzen natürlich angesichts der vielen kritischen Augen, die dies begleiten. Als besondere Auszeichnung durfte auch schon ein Mitglied unserer Gruppe die "Exhortation" sprechen, den berühmten Auszug aus dem Gedicht "For The Fallen" von Laurence Binyon:

They shall not grow old as we, who are left, grow old.

Age shall not weary them, nor the years condemn.

At the going down of the sun and in the morning

we will remember them.

  Deutsche und englische Schülerinnen lernen voneinander und gemeinsam

Die deutschen und englischen Schülerinnen und Schüler sollen die Aufgaben z.B. des von uns Lehrkräften erstellten Workbooks gemeinsam lösen; da sich die Beteiligten vor der Fahrt nicht persönlich kennen, sondern nur über e-mail miteinander Kontakt gehabt haben, bleibt dieser Teil schwer planbar. Aber weil alle wissen, dass die Aufgaben nicht nur dazu dienen, die Projekttage in Ypern zu strukturieren, sondern Vorarbeit sind für das nach Abschluss der Fahrt zu erstellende gemeinsame Produkt (in den letzten Jahren immer eine Broschüre), ergibt sich die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und englischen Schülerinnen und Schülern ganz zwangsläufig. Leichter fällt dies schon nach der ersten Nacht in der Jugendherberge, in der selbstverständlich die Zimmer jeweils getrenntgeschlechtlich, aber national gemischt belegt sind.

Die Lehrerbeobachtungen und -bewertungen dessen, was wir während der Fahrt bei den jungen Leuten erreichen, fasste mein englischer Kollege am Ende der ersten gemeinsamen Fahrt in dem schönen Satz zusammen: "We would be mad not to do it again!" Ein treffenderes Urteil ist in den vielen Jahren des Projekts noch nicht formuliert worden.

  Schlusspunkt der Frühjahrsfahrt: Ysselstein

Die Fahrt führt während der Rückfahrt auf den deutschen Friedhof Ysselstein bei Eindhoven, auf dem etwa 32.000 deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs beigesetzt sind. Dieser Schlusspunkt der Fahrt hat mit dem Ersten Weltkrieg rein gar nichts zu tun. Hier geht es nur darun, abschließend noch einmal ein Gefühl für Zahlen zu bekommen. In Ysselstein stehen 32.000 einzelne Kreuze - ein wahres Meer. Im Rückgriff auf die Erinnerung an den Friedhof Langemark mit seinen 24.000 in einem einzigen Massengrab und weiteren etwa 20.000 in Sammelgräbern bestatteten Toten, also einer ungefähr noch vergleichbaren Gesamtzahl von Toten, bekommt diese Zahl plötzlich ein Gesicht.

Anschließend sind die englischen Schülerinnen und Schüler in den Familien ihrer deutschen Mitschüler untergebracht und wir arbeiten gemeinsam in der Schule die Fahrt auf und stellen unsere zweisprachige Broschüre her.

Da die gesamte Fahrt von allen Lehrkräften nur auf Englisch durchgeführt wird, haben sich gegen Ende der Fahrt auch die deutschen Schülerinnen und Schüler wie selbstverständlich angewöhnt, dass sie mit ihren deutschen Lehrkräften Englisch reden - manchmal natürlich unter großem Gelächter, wenn sie es bemerken und dann sicherheitshalber doch schnell wieder ins Deutsche wechseln.

  Erstellung eines gemeinsamen Produkts

Mit Hilfe der während der Fahrt im von uns Lehrkräften vorbereiteten Workbook gemachten Aufzeichnungen stellen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam während der beiden Tage, die wir an unserem Heimatort verbringen, in der Schule ein Produkt der Fahrt her. Als Formen bieten sich an:

  •     Wandzeitungen   
  •     HTML-Seiten für die Homepages beider Schulen   
  •     Broschüre   
  •     Eine CD (oder bei großer Datenmenge einer DVD) mit allen Fotos der     Fahrt

Im Zeitalter der digitalen Fotografie ist zum Glück die sofortige Verfügbarkeit von Fotos für alle Produktformen kein Problem mehr. In den letzten Jahren haben sich Schülerinnen und Schüler immer für die Erstellung einer Broschüre entschieden. Im Format DIN A5 kommen da leicht 60 bis 70 Seiten inklusive Fotos zusammen; das Attraktive ist natürlich, dass jede(r) sein Produkt mitnehmen und stolz zu Hause vorzeigen kann. Die entstehenden Texte sind eine Mischung aus Sachtexten mit während der Fahrt Gelerntem und Texten, in denen Schülerinnen und Schüler ihre Eindrücke und Emotionen verarbeiten, häufig in Gedichtform, immer sehr anrührend.

  Schlussbetrachtung des Frühjahrsprojekts

Zu den kritischen Fragen, die wir Lehrkräfte uns stellen, gehören natürlich Überlegungen, ob wir da Schlachtfeldtourismus betreiben oder Gruselpädagogik, ob es denn solch schockierender Erlebnisse bedarf, wie etwa am Grab eines 14jährigen Soldaten zu stehen, nur um klarzumachen, was die Grauen des Krieges sind. Wir fragen uns, ob wir uns mit dieser Methode nicht zu sehr darauf einlassen, dass die heutige Schülergeneration aufgrund der Reizüberflutung, der sie täglich ausgesetzt ist, nur noch mit solchen "Knallern" an wichtige Inhalte heranzuführen ist. Die Antwort geben wir dadurch, dass wir die Fahrt in jedem Jahr wieder durchführen.

Ein Aspekt hinsichtlich des Anteils des Englischunterrichts soll noch beleuchtet werden, nämlich die Frage: Ist das denn tatsächlich Englischunterricht? Es ist sicherlich nur sehr eingeschränkt Unterricht in dem Sinne eines geplanten Zuwachses an Vokabular oder grammatischen Strukturen. Vielmehr herrscht in dieser Hinsicht Wildwuchs, selbst wenn selbstverständlich ein Teil der inhaltlichen Vorbereitung z.B. aus der Erarbeitung des Vokabulars um cemetery, gravestone, monument, trench, no man's land etc. herum besteht. Die Kommunikation mit den gleichaltrigen englischen Schülerinnen und Schülern ist dann - über ein paar Kennenlernspiele am ersten Tag hinaus - nicht mehr planbar, sondern nur noch in Ansätzen steuerbar. Sie wird immer wieder erzwungen durch die gemeinsame Arbeit an einem Thema; sie ergibt sich zwangsläufig in den abendlichen (oder eher nächtlichen) Kommunikationen, die uns Lehrkräften natürlich häufig genug zu lange dauern. So bleibt der Lernzuwachs sicherlich auch zufällig - unschätzbar sind allerdings der Zuwachs an Selbstvertrauen und der Selbstverständlichkeit, mit der im Laufe der Zeit auf Englisch kommuniziert wird. Und die Zahl der Fälle, in denen der Kontakt auch noch nach Abschluss der Fahrt aufrechterhalten bleibt, ist erstaunlich groß. Englischlernen findet sicher in großem Ausmaß statt, Englischunterricht nur in etwas eigenwilliger Interpretation des Begriffs.

Einige wenige Zitate von Schülerinnen sollen für sich selber sprechen:

In conclusion, we had a thought provoking time in Ypres learning about the soldiers that died in the war. Unless you experience this first hand you can not comprehend the number of deaths and the scale of the slaughter. We have made good friends with the Germans and despite our anxieties at the beginning we have found them to be lovely people. Just like us, in every way. The only real difference appeared to be that they eat Bratwurst and we eat fish'n'chips!

Elspeth Cl. and Leah P.

It surprised me how well, and how quickly, we managed to make friends with the German pupils. Throughout the whole trip we managed to become friends with the foreign pupils and there was no prejudice in the whole trip.

Ann C.

Zuerst konnte man sich die Soldatenfriedhöfe nicht vorstellen, obwohl wir davon schon viel gehört und auch Bilder gesehen hatten. Doch gleich auf dem ersten Friedhof war ich baff: Reih an Reih standen die unzähligen Grabsteine englischer Soldaten, jedes Grab gepflegt und sauber. ... Mit den englischen Schülern haben wir uns von Anfang an gut verstanden und ich hab viele nette Menschen kennen gelernt. Als ich meinen englischen "Gastschwestern", die leider nur für zwei Tage bei mir in Leer bleiben konnten, meine Heimatstadt zeigte, wurde mir endgültig klar, dass die Fahrt nach Ypern ein voller Erfolg gewesen war.

Gaelike W.

Trotz der Angst vor der Verständigung mit den englischen Austauschschülern wurde die Fahrt ein voller Erfolg. Es wurde viel gelacht und wir konnten uns gut verstehen. Trotzdem hatten wir den Sinn dieser Fahrt nicht vergessen. Es war besonders beieindruckend wie viele Friedhöfe es rund um Ypern gibt, wobei wir ja nur einen Teil besichtigt hatten. Ab und an haben wir auch noch alte Bomben und Granaten am Wegrand liegen sehen. Besonders interessant waren die Schützengrabensysteme, die es nachgebaut, aber auch noch original dort zu finden gibt.Betroffen gemacht hat mich, dass einige der gefallenen Soldaten noch nicht einmal 16 Jahre alt geworden waren. Ich finde, das Projekt ist lebendiger Geschichtsunterricht und man wird hautnah mit dem Geschehenen zwischen 1914 und 1918 konfrontiert. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass dieses Projekt weiterhin organisiert wird, da einem dann die Ausmaße eines solchen Krieges vor Augen geführt werden. Zumal Ypern ja nur einen Teil des Esten Weltkrieges darstellt.Ich persönlich fand die ,,Last Post´´ Zeremonie am beeindruckendsten, weil sie jeden Abend durchgeführt wird, um der Gefallenen zu gedenken, obwohl der Krieg fast 90 Jahre her ist.

Sarah K.

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