Ypern - ein deutsch-englsiches Projekt zur Friedenserziehung
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Gesamtüberblick über das Projekt:

 

Am Anfang stand ein Comenius-Projekt. Über drei Jahre arbeiteten wir mit Schulen in mehreren europäischen Ländern zusammen, unter anderem mit der Reepham High School in England.

Im Schuljahr 1998/99 nahm ich im Rahmen unseres Comenius-Projektes "Bridges" an einer Feier zum Remembrance-Day in der Reepham High School in England teil. Die Schule veranstaltete anlässlich des 80. Jahrestages des Waffenstillstands am Ende des Ersten Weltkriegs eine Gedenkfeier, an der die Veteranenverbände des Zweiten Weltkrieges teilnahmen, Lehrer aus mehreren europäischen Ländern, die mit der Reepham High School in dem genannten Comenius-Projekt zusammenarbeiten, Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte der Reepham High School.

Im Verlauf der Feier sang ich das Lied "No Man's Land" von Eric Bogle. Dieses Lied hatte ich seit Jahren im Geschichtsunterricht eingesetzt; ich bin der Ansicht, dass das Singen (und Übersetzen) dieses Liedes, verbunden mit der Auseinandersetzung mit den Bildern von Kriegsverletzten, wie sie in Ernst Friedrichs "Krieg dem Kriege" abgedruckt sind, einen erschütternden Eindruck davon vermittelt, was Krieg für die Betroffenen wirklich bedeutet - weg von der Darstellung (und Wahrnehmung) von Krieg als Unterhaltung, Abenteuer oder lustvoll Grauenvollem in Filmen, hin zu tiefgehender emotionaler Betroffenheit der Wahrnehmenden.

Mir wurde während dieser Feier in Reepham und im Anschluss daran in den Gesprächen mit den Veteranen sowie anderen Teilnehmern der Feier erst klar, dass der Erste Weltkrieg in England einen sehr hohen Stellenwert hat; ich hatte zuweilen den Eindruck, er ist noch heute für Engländer sehr viel wichtiger als der Zweite Weltkrieg. Das mag vor allem daran liegen, dass allein die Zahl der Toten, die England im Ersten Weltkrieg zu beklagen hatte, sehr viel größer war als die der Toten des Zweiten Weltkriegs. Diese Veranstaltung öffnete mir auch die Augen für die Bedeutung der um diese Jahreszeit in England allgegenwärtigen poppies (Mohnblumen).

Die Mohnblumen - im Gedicht "In Flanders Fields" von Colonel John McCrae "besungen" - sind für Engländer noch heute das Symbol für das Sterben im Ersten Weltkrieg. Damals gab es offenbar in Flandern weite Felder mit Mohnblumen (poppies), die besonders im Jahr nach einer Schlacht extrem farbenfroh blühten, weil sie dann - so makaber das klingt - durch die Toten des Vorjahres gut gedüngt waren.

Beim Besuch eines Museums stieß ich eher zufällig auf ein Buch über die Schlacht an der Somme, das ich vor allem durchblätterte, weil der Schulleiter der Reepham High School, Chris Hassell, in seiner Rede während der Festveranstaltung am 11. November 1998 ausdrücklich auf die Zahl der Toten allein der ersten Schlacht an der Somme verwiesen hatte. Als ich dies Büchlein durchsah, stieß ich auf die Seite, auf der das Lied "No Man's Land" abgedruckt war, blätterte ein bisschen weiter und fand die Angabe, dass das Grab des dort besungenen William McBride tatsächlich existiere, und zwar auf einem Friedhof bei Authuille in Frankreich.

Zurück in Leer beschäftigte ich mich noch weiter mit dem Thema und beschloss schließlich, in den Osterferien 1999 einmal eine Fahrt durch Frankreich und Belgien zu machen, um die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges zu besuchen, um die "countless white crosses" zu erleben und nicht nur immer von ihnen zu singen, um mich sehr viel näher mit ihnen auseinanderzusetzen.

Diese Fahrt hat mich ungeheuer beeindruckt und fasziniert. Sie führte über Luxemburg, Verdun, Peronne, Albert, Arras, Cambrai nach Ypern und Diksmuide. Auch das Grab von William McBride habe ich gesucht und gefunden.

Insbesondere erschreckt hat mich, wenn ich in der Gegend von Ypern auf einem Friedhof mit seinen unzähligen Gräbern stand, dass oft in nicht allzu weiter Entfernung der nächste Friedhof mit seinem Mahnmal schon zu sehen war, manchmal auch schon der dritte und vierte. Rechts und links der Straße zeigen alle paar Kilometer, manchmal alle paar hundert Meter Schilder auf den nächsten Friedhof, das nächste Mahnmal - ich hatte das Gefühl, ich könne Geschichte "erfahren".

Natürlich habe ich nach den Osterferien in den Klassen, in denen ich Geschichte unterrichtete, von dieser Fahrt erzählt, weil selbstverständlich das Lied von Eric Bogle Gegenstand des Geschichtsunterrichts gewesen war. Und da kam in einer Klasse spontan der Wunsch: "Da wollen wir auch hin!"

Nach einer knappen Woche Planung stand fest, dass sich trotz der Kurzfristigkeit diese Fahrt noch im gleichen Schuljahr durchführen ließ.

Sie wurde zur besten Klassenfahrt, die ich in langen Dienstjahren durchgeführt hatte. Wir hatten uns in Leer überlegt, was wir an den Mahnmalen und auf den Friedhöfen sowie in den Museen herausfinden wollten, so dass es keine Sekunde Leerlauf gab. Gleich, wohin wir kamen, wussten alle Schülerinnen und Schüler immer, was sie tun wollten. Zudem waren natürlich auch die Schülerinnen und Schüler emotional sehr bewegt durch das, was sie sahen, erforschten und herausfanden.

Deshalb mache ich seitdem diese Fahrt in jedem Jahr wieder. Seit dem Jahr 2000 findet sie immer als gemeinsame Fahrt einer Klasse der Friesenschule und einer Klasse der Reepham High School statt: die Urenkel der Gegner von damals besuchen die Stätten des Grauens gemeinsam, um dort miteinander zu lernen und zu arbeiten. Nach der ersten gemeinsamen Fahrt fasste der englische Kollege Vernon Soyka sein Gesamturteil in dem Satz zusammen "We would be mad not to do it again." Er hat Recht!

Diese Fahrt findet inzwischen in jedem Jahr ihre Fortsetzung darin, dass ich jeweils zum 11. November (also dem Remembrance Day) mit einer kleinen Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die im Frühjahr mit in Ypern waren, zur Teilnahme an der Gedenkfeier der Reepham High School fahre. Dies findet manchmal unter großer Resonanz der lokalen Medien statt: Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen interessieren sich dafür - nicht zu Unrecht, wie ich finde.

Im Laufe der Zeit entwickelt sich das Projekt natürlich weiter. Nicht nur, dass es inzwischen Tradition geworden ist, dass wir aktiv an der Zeremonie "Last Post" in Ypern teilnehmen, indem ein(e) deutsche(r) und ein(e) englische(r) Schüler(in) gemeinsam einen Gedenktext niederlegen. Erstmalig fuhren 2004 die englischen Schülerinnen und Schüler mit uns zusammen über Ysselstein zurück und verbrachten dann noch ein paar Tage in Familien in Leer. Im Jahr 2005 haben wir erstmals ein "Workbook" eingesetzt: Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer erhält am Beginn der Fahrt ein Heft mit Aufgaben zu jeder einzelnen Station der Reise. Durch das kontinuierliche Ausfüllen entsteht ein mit Bildern, Skizzen und Texten gefülltes individuelles Logbuch der Fahrt. 2007 dann nahm zum ersten Mal eine belgische Schülergruppe an unserem Projekt teil. Schülerinnen und Schüler des St Janscollege aus Poperinge verbrachten den Pfingstsamstag mit uns, vom Frühstück am Morgen über die Erkundungen den Tag über, den Empfang im Rathaus der Stadt Ypern bis zur Teilnahme am "Last Post". Danach saßen wir noch ein bisschen in der Jugendherberge zusammen und haben miteinander geredet, gesungen, gelacht. Aus dem Zwei-Länder-Projekt ist also ein kleines Drei-Länder-Projekt geworden; das wollen wir in den nächsten Jahren noch ausbauen.

Im Jahr 2003 ist unser Projekt zweimal ausgezeichnet worden. Wir haben den Ersten Platz beim Niedersächsischen Schülerfriedenspreis belegt und einen Preis beim "Bündnis für Demokratie und Toleranz" gewonnen, einer Aktion des Deutschen Bundestages. Im Jahr 2006 habe ich beim bundesweiten Lehrerwettbewerb "Unterricht innovativ" den dritten Platz mit diesem Projekt belegt.

Wegen der Einzigartigkeit des Projektes wurde es im Jahr 2005 vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland mit einer erheblichen Summe unterstützt. Im Jahr 2006 habe ich das Preisgeld des Bündnisses für Demokratie und eine Spende der Ostfriesischen Volksbank Leer eingesetzt, um die finanzielle Belastung für die Teilnehmer zu verringern. Im Jahr 2007 wurden wir großzügig von der EWE-Stiftung unterstützt. Allen jeweiligen Sponsoren im Namen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer natürlich ein herzliches Dankeschön.

Im Jahr 2006 durfte ich als Auszeichnung für die langjährige erfolgreiche Durchführung des Projekts unter dem Menentor im Rahmen der Last Post-Zeremonie die "Exhortation" sprechen. Mein Herz hat ganz schön geklopft, aber es ging nichts schief.

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